Back
Der Distelfink (Hardcover, German language, 2014, Goldmann) 4 stars

Es passiert, als Theo Decker dreizehn Jahre alt ist. An dem Tag, an dem er …

Ein lautloses Puff

1 star

Mir lag nur die deutsche Übesetzung von Rainer Schmidt und Kristian Lutze vor. Schwer zu sagen also, auf wessen Mist Sätze wie dieser gewachsen sind: "Mit ihnen zu wohnen war, als teile ich mir eine Wohnung mit Leuten, mit denen ich mich nicht besonders gut verstand."

Das erinnert eher an den Deutschaufsatz eines Zwölfjährigen, der seine Seiten vollkriegen muss, als an Literatur. Was man in Der Distelfink zu lesen bekommt, ist jedenfalls "unfassbar wie ein schwarzer Tintenklecks über dem Horizont". Man liest von einem "lautlosen Puff", von Oberkörpern, die "lang gestreckt und schmal über der Taille herauf" ragen - "wie bei einem eleganten Wiesel" (nicht zu verwechseln mit dem gemeinen Wiesel), man liest vom "Licht von der Straße", das "in schwarzen Streifen über den Boden" weht, von "zerbrechlichen, zigeunerhaften Mädchen im Rollstuhl" und davon, wie "die schwarzen Ringe um die hellblaue Iris" den "Augen etwas leicht Wildes verleihen, wie bei einem jagenden Geschöpf mit scharfem Blick, allein in der weiten Prärie".

Wenn Donna Tartt versucht, sich in die Rolle ihres in armen Verhältnissen aufgewachsenen Protagonisten hineinzuversetzen, der sich als Kind in den Trümmern eines terroristischen Bombenanschlags wiederfindet, dann schreibt sie: "So seltsam es auch erschien, ich hatte den Eindruck, im ummauerten Innenhof eines gottverlassenen Sozialwohnungsblocks zu liegen." Letztendlich erhält der Leser mehr Einblick in Tartts hoffnungslose Bürgerlichkeit als in die Gefühlswelt des Protagonisten.