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Über Israel reden (EBook, Deutsch language, Kiepenheuer & Witsch) 4 stars

Über kaum ein anderes Land wird in Deutschland so viel geredet und Zu Israel hat …

Eine Deutsche Debatte?

4 stars

Der Titel des Buches verrät wirklich viel über den Inhalt: "Über Israel reden. Eine deutsche Debatte"

"Moment", könnte man sich fragen, "warum eine deutsche Debatte?" Um genau diese Verwunderung, die Meron Mendel als gebürtiger Israeli spürte, als er vor Jahrzehnten nach Deutschland zog und beobachtete, wie identitätsstiftend der Nahostkonflikt für viele Deutsche ist, geht es.

Anhand bekannter Beispiele für deutsche Positionen zum Nahostkonflikt und insbesondere anhand der bekannten Antisemitismusskandale der letzten Jahre (Ruhrtriennale, documenta 15) zeigt Mendel, dass es selten darum geht, wie man den Menschen in Israel und Palästina helfen könnte. Viel mehr geht es in diesen Debatten um Gruppenzugehörigkeit. Die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands spielt in ihnen eine Schlüsselrolle.

Dabei beanspruchen beide "Seiten", diejenigen zu sein, die aus der Geschichte gelernt haben. Die einen stellen sich unverbrüchlich auf die Seite Israels, auch bei Verbrechen wie z. B. den Siedlungen im Westjordanland. Die andere Seite setzt sie die Situation der Palästinenser*innen geschichtsrevisionistisch und relativierend mit der Shoah gleich. In diesem Weltbild haben deutsche Täterkinder von der Shoah gelernt, die jüdischen Kinder der Betroffenen hingegen nicht.

Bei Mendel wirkt es etwas so, als seien beide "Seiten" gleichermaßen bedeutend, was ich insbesondere im Kapitel über linke Positionen zum Nahostkonflikt ("Antideutsche" vs. "Antiimps") hinterfragen würde. Meiner Erfahrung nach sind Antideutsche ein krasses Randphänomen geworden und das Label "Antideutsch" wird vorrangig als Kampfbegriff gegen Leute verwendet, die zum Beispiel israelbezogenen Antisemitismus kritisieren.

Meron Mendel hat mich insbesondere durch den Hinweis darauf, wie selbstreferenziell und seltsam identitätsstiftend die deutschen Diskussionen zu Israel sind, nachdenklich gestimmt. Ich trage sicher auch hier und da zu dieser Debattenkultur bei.

Gleichzeitig bin ich ratlos, wie ich beispielsweise israelbezogenen Antisemitismus thematisieren soll, ohne dass die Debatte völlig entgleist, ich als Antideutscher beschimpft werde und es am Ende also doch wieder einfach um innerdeutsche Gruppenzugehörigkeit geht. Wenn die Gegenseite sich einer differenzierten Diskussion über Antisemitismus vollkommen verschließt und eine Kritik am Antisemitismus gleich als unverbrüchliche Unterstützung der Politik Israels wertet, dann seh ich das Problem nicht wirklich bei mir.

Meron Mendels Beharren auf der Wichtigkeit von Dialog beeindruckt mich. Unermüdlich versucht er, differenzierte Gespräche zu führen, auch mit Leuten, die völlig antisemitisch abgedriftet sind. Ein Beispiel ist das Interview mit Roger Waters im Spiegel. Ich kann dem auch alleine dadurch etwas abgewinnen, dass Mendels betont sachliche, ruhige Art dazu führt, dass Roger Waters sich ganz wunderbar selbst als Antisemiten vorführt. Von diesem ruhigen Kommunikationsstil werde ich versuchen, mir eine Scheibe abzuschneiden.