Keno Goertz reviewed Mildred by Rebecca Donner
Fade Kost
1 star
In dieser Biographie über Mildred Harnack, Mitglied des von der Gestapo als "Rote Kapelle" bezeichneten Widerstandsnetzwerks, muss man mühsam nach den interessanten historischen Fakten zur Person suchen.
Einen großen Teil des Buches macht eine unterkomplexe und manchmal schlicht falsche Erzählung der Geschichte des Nationalsozialismus aus. So soll laut Autorin und Mildreds Urgroßnichte Rebecca Donner zum Beispiel Hitler den Muttertag auf den Geburtstag seiner Mutter gelegt haben. Ein Blick in die angegebene Quelle zeigt, dass diese für diesen alternativen Fakt wiederum eine andere Quelle zitiert, in der diese Fehlinformation letztendlich gar nicht drin steht.
Dass eine der wenigen Quellen, die ich überprüfte, sich gleich als ein Blindzitat entpuppte, spricht nicht gerade für Sorgfalt in der wissenschaftlichen Arbeit. Zur gründlichen Überprüfung weiterer Quellen ging mir schlichtweg die Lust aus, was vor allem an der irritierenden Entscheidung liegt, für die Quellenangaben statt Fußnoten Endnoten zu benutzen. Dabei ist im Fließtext nicht einmal markiert, ob es für einen Satz in den Endnoten eine Quelle gibt. Ständig las ich einen Satz, fragte mich, woher die Autorin diese Info wohl hat, blätterte durch die unnummerierten Endnoten, und wurde dann vom Fehlen einer Quelle enttäuscht.
Denn auch der Teil des Buches, der sich tatsächlich mit Mildred Harnack auseinandersetzt, besteht vor allem aus der Vorstellungswelt von Rebecca Donner darüber, wie das Wetter wohl an einem gegebenen Tag gewesen ist (und gar in welchem exakten Moment im Gespräch der Regen aufhörte) oder welche Gefühle Mildred Harnack wohl spürte, wenn sie das Geräusch des Schlüssels bei der Heimkunft ihres Ehemannes hörte.
Mag sein, dass es für diese Passagen hier und da Quellen aus dem Nachlass der Familie gibt, jedoch sicherlich nicht für alles, und für die Leser*in ist das sowieso nicht ersichtlich und demnach vollkommen unmöglich, zwischen Fakt und Fiktion zu unterscheiden.
Dabei scheint Rebecca Donner bei der Sichtung der Quellen zu Mildred Harnack schon äußerst gründlich gewesen zu sein. Schade, dass sie sich nicht auf 100-200 Seiten den daraus entsprignenden Erkenntnissen widmete, sondern meinte, das ganze auf einen 600 Seiten langen Roman aufblasen zu müssen.